Das Wahlergebnis in der Schweiz und was wir daraus lernen können.

Wenn die Schweiz abstimmt oder wählt, bekommen mitteleuropäische Feuilletonisten regelmäßig Schnappatmung: Die politisch unkorrekte Volkspartei erzielt seit Jahren an den eidgenössischen Wahl- und Abstimmungsurnen Erfolge in Serie: Minarette sind verboten, die Massenzuwanderung wird gebremst – Steckenpferde des linken Establishments, z.B. der EU-Beitritt, die Wehrpflichtabschaffung oder staatliche Eingriffe ins Lohngefüge fallen regelmäßig durch. Nichts ist dem Schweizer mehr zuwider als Untertanengeist, daran beißen sich seit Jahrhunderten Kaiser, EU-Kommissare und selbst die eigene Regierung in Bern die Zähne aus.

Die Vorstellung, dass dieses kleine Land im Herzen Europas so erfolgreich ist, straft alles Lügen, was man in Deutschland schon in der Schule beigebracht bekommt: Die Schweizer setzen auf Marktwirtschaft, auf Freihandel, auf Bürgerrechte und auf Eigenverantwortung. Sie leben in Frieden mit ihren Nachbarn und brauchen dazu keine Kommissare. Sie halten die Grenzen offen für Waren und die Dienstleistungen, schließen sie aber zunehmend für Sozial- und Kriminalitätstourismus. Von den heiligen Kühen des Zeitgeists, der EU und dem Euro lassen sie konsequent die Finger.

Weil das nicht ins Weltbild passt, wird die Schweiz regelmäßig für unbedeutend und rückständig erklärt und es wird stets behauptet, man könne sie mit Deutschland nicht vergleichen. Nichts könnte falscher sein: Das Alpenland aufgrund seiner Lage als Binnenland, seiner Rohstoffarmut, seiner hochmodernen Exportindustrie, des Tourismus und der Finanzwirtschaft sicher noch mehr auf gute Beziehungen zu seinen Nachbarn angewiesen, als wir es sind. Und doch: Von PISA-Studien über Bruttoinlandsprodukt bis Human-Development-Index gibt es keine Kennzahl, in der uns der südliche Nachbar nichts vormachen könnte.

Und jetzt wählen diese eigensinnigen, (erfolg-) reichen, bergbewohnenden EU-Verweigerer auch noch die SVP! Diese bösartige Speerspitze der Swissness! In deutschen Leitmedien wird wiedermal mit hochgezogener Augenbraue vom „Rechtsruck“ berichtet und völlig unterschlagen, dass das Ergebnis höchstwahrscheinlich keinerlei Auswirkung auf die Zusammensetzung der Regierung haben wird, die in der Schweiz traditionell aus Vertretern aller großen Parteien gebildet wird.

Wir Deutschen sollten mal genau hinsehen: Es geht nämlich alles, was die linksgrünen Oberlehrer dieser Welt für unmöglich halten: Wohlstand für alle dank Freiheit und Eigenverantwortung, Exporte ohne EU, Weltoffenheit ohne naive Migrationspolitik und ohne Klatschparaden am Bahnhof. Das glauben übrigens auch die eidgenössischen Gutmenschen nicht und deshalb werden sie bei Wahlen und Abstimmungen auch regelmäßig abgewatscht.
Und die Schweizer schaffen das auf eine liebenswert-bescheidene Art und Weise. Wenn der Eigenosse hörbar stolz auf sein Land ist, dann klingt das nüchtern und sachlich und sicher nicht oberlehrerhaft. Denn eigentlich will er ja nur in Ruhe gelassen werden, nationales Sendungsbewusstsein und kollektivistischer Humbug, sei es „Wir schaffen das!“ oder völkische Kraftmeierei sind ihm gänzlich fremd. Beneidenswert.

Swissness, wie sie die SVP wohl in erster Linie ausstrahlt, das heißt die eigenen Interessen selbstbewusst zu vertreten und durchzusetzen, ohne die Interessen von Nachbarn und Partnern in der Welt zu ignorieren. Das heißt gelebte Liebe zur Heimat ohne tumben Hurra-Patriotismus und mit einem gewissen weltmännischen Flair.

Die Volkspartei spielt diese Klaviatur virtuos. Allen voran der neue starke Mann Roger Köppel. Der Chefredakteur der konservativ-liberalen Weltwoche ist auch mit einem eindrucksvollen persönlichen Wahlergebnis am Sonntag in den Nationalrat eingezogen.

Deutschen Talkshowzusehern ist der Mann kein Unbekannter: Regelmäßig wird der sympathische Journalist eingeladen, wenn mal wieder über die unwilligen Eidgenossen hergezogen wird. Regelmäßig lässt er seine zahlenmäßig klar überlegenen Kontrahenten dabei alt aussehen. Seine unaufgeregte, zurückhaltende Art und der leise Ton, den er anschlägt, hebt sich wohltuend von den üblichen Schreihälsen bei solchen Shows ab. Sie hebt sich leider auch ab vom besserwisserischen Duktus des Professors oder Studienrats und dem weinerlichen Beklagen unfairer Behandlung, das einstige und gegenwärtige AfD-Granden dort üblicherweise an den Tag legen.

Köppel steht dabei sinnbildlich für seine Partei: Die Volkspartei ist eine Volkspartei. Sie schafft es, von Unternehmern und Arbeitern gewählt zu werden, denn sie geriert sich nicht als Partei der Verlierer und Wutbüger, sondern als unideologische Partei des gesunden Menschenverstands. Sie hat Mut, den politischen Zeitgeist herauszufordern und politische Korrektheit den Wettbewerbern zu überlassen. Aber sie bietet ein Programm, das an vielen Stellen auf wohlfeile Forderungen verzichtet. Es werden keine unfinanzierbaren Wohltaten versprochen, kein Umverteilen, kein nationaler Sozialismus, kein Protektionismus. Im Gegenteil: Wohlstand muss hart erarbeitet werden und die Welt ist kein Ponyhof, auch keine idyllische Alm, das wird klar.

Die SVP übernimmt Verantwortung und sie malt ein Bild von der Zukunft. Es ist keine kitschige Lebenslüge, aber eine Einladung an die Schweizer, weiter in Freiheit und Wohlstand zu leben und die eigene Kultur zu bewahren. Sie scheut nicht die Provokation, aber sie bietet Substanz. Das macht sie für weite Teile der Bevölkerung wählbar.

Ein Modell, dem die AfD tunlichst nacheifern sollte. Statt sich an flüchtigen Umfragewerten zu ergötzen und quer durchs Land auf allerlei Demos in erster Linie die eigene Anhängerschaft zu bespaßen, ist es an der Zeit, diese zu erweitern. Denn genausowenig wie die Eurokrise wird die Flüchtlingskrise ewig die politische Debatte beherrschen. Deshalb fährt der Nur-Asyl-Zug genauso wie Luckes Nur-Euro-Zug auf einem toten Gleis. Dabei sind beide Krisen eine historischen Chance: Nie war das Misstrauen in die Altparteien größer und nie haben die Bürger mehr nach eine Alternative gesucht. Eine Alternative aber, die muss den Bürgern erklären, wie sie in Zukunft ihre Rechnungen bezahlen können, auf welche Schulen ihre Kinder gehen sollen und wie im Alter für sie gesorgt wird.

Mit anderen Worten: Die Menschen wollen Antworten und keine Phrasen. Sie wollen wissen was in zehn Jahren ist und nicht, was in tausend Jahren ist. Sie wollen ehrliche Politik und keine Ersatzreligion.

Die AfD muss jetzt klug agieren, um keine historische Chance zu verspielen. Wir brauchen willensstarke Führungskräfte, die alle Themen besetzen, auch die schweren. Selbst wenn es dafür weniger Applaus gibt und weniger Likes bei Facebook und selbst wenn es der eigenen Popularität mal abträglich ist. Schließlich sind sie gewählt um die Partei langfristig voranzubringen und nicht um die eigene Karriere zu befördern. Wir brauchen eine Parteiführung, die auch klare Grenzen aufzeigt und einer möglichen Selbstradikalisierung gewisser Kreise Einhalt gebietet. Wer irgendwen an die Wand stellen will oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung für nebensächlich hält, der hat in unserer Mitte kein Platz. Da ist jede Toleranz deplatziert und führt langfristig aufs politische Abstellgleis.

Wir Deutschen sind gut beraten, uns ein Beispiel an der Schweiz zu nehmen. Wir AfDler sollten auf die SVP blicken, denn nur so werden wir Erfolg haben und wirklich eine Veränderung bewirken können. Wärmen wir uns nicht an einem Strohfeuer, sondern krempeln wir die Ärmel auf und bauen weiter an einem soliden Fundament für unsere Bewegung! Verwechseln wir nicht Mut zur Wahrheit mit verbaler Kraftmeierei, sondern bieten wir konkrete Lösungen auf eine unaufgeregte und intelligente Weise an. Der Wähler wird es uns danken und nie waren die Rahmenbedingungen besser. Es liegt nur an uns.

Sven Tritschler

Bundesvorsitzender der Jungen Alternative

Quelle: http://www.nrw-alternativefuer.de/mehr-schweiz-wagen-ein-beitrag-von-sven-tritschler/